Wichtig zu wissen

Falls du dir durch das Dehnen einem „verkürzten Muskel“ entgegenwirken willst, muss ich dich leider enttäuschen. Die Muskulatur wird durch Dehnen nicht länger und demnach gibt es auch keinen verkürzten Muskel.
Liesse sich die Muskulatur spontan verlängern, wäre das eine Katastrophe für die Koordination, da das Nervensystem keine präzisen Bewegungen ausführen kann, wenn die Muskellänge nicht relativ konstant ist.?

Was du dir davon merken solltest: durch das Dehnen kommt es zu KEINER Längenzunahme im Muskel. Regelmässiges Dehnen bewirkt eine erhöhte Dehnungstoleranz der elastischen Strukturen im und um den Muskel. Dadurch wird die Beweglichkeit im Gelenk verbessert.

Was denkst Du, ist unsere Gesellschaft länger währender Zwangs- und Gewohnheitshaltungen mit verkürzten Muskellängen ausgesetzt? Ich denke schon. Denkst Du z.B. an die permanente Sitzhaltung oder die permanenten Absatzerhöhungen bei Schuhen, oder unsere permanent nach vorne gezogenen Schultern am Schreibtisch. Wer befindet sich heutzutage noch mindestens einmal am Tag in einer tiefen Hockposition, wie man sie von Stehtoiletten her noch kennt? Und falls nicht, weshalb sollten dann die Oberschenkel-Rückseite nicht strukturell verkürzt sein? Auch Freiwald (2009) schreibt folgendes zu dieser Thematik:

„Gewohnheitshaltungen werden unbewusst eingenommen, z.B. am Arbeitsplatz. Wenn zur täglichen Alltagshaltung, z.B. am Schreibtisch, auch nachts eine eingerollte Schlafhaltung (‚Häschenhaltung‘) bevorzugt wird, ist die Muskulatur auch nachts über Stunden in einer dem Muskelursprung und dem Muskelansatz genäherten Position. Es sind also Bedingungen vorhanden, die den Verhältnissen nahe kommen, wie sie bei experimenteller Immobilisation von Gelenken in verkürzter Muskellänge vorkommen“ (Freiwald, 2009, S.51).

„Täglich wiederkehrende Gewohnheits- und Zwangshaltungen, die über Stunden eingenommen werden und über zunächst funktionelle Beweglichkeitseinschränkungen(…) in zeitlicher Folge zu strukturellen Verkürzungen(…) der Muskulatur führen“ (Freiwald, 2009, S.50).